Guan Yin – Buddha des Mitgefühls

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Guan Yin (auch Kuan Yin, Quan Yin oder Kwan Yin) ist ein meist weiblich dargestellter Buddha.

Ein Buddha ist ein Wesen, welches erleuchtet ist und den Einzug ins Nirvana1 (Erlösung vom Rad der Wiedergeburt) erreicht hat. Aus Bescheidenheit bezeichnet sie sich selbst jedoch als Bodhisattva (chinesisch: Pusa, das ist in der buddhistischen Hierarchie eine Stufe unterhalb eines Buddhas) und ist bekannt als Bodhisattva des Mitgefühls.

Guan Yin

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Guan Yin wird nicht nur im (Mahayana-) Buddhismus, sondern auch in vielen anderen ostasiatischen Traditionen und Ländern als Verkörperung des Mitgefühls, der Barmherzigkeit und der beschützenden Liebe verehrt; so ist sie in Japan unter dem Namen Kannon, in Vietnam als Quan Âm und in Korea als Kwan Seum Bosal bekannt. Unter dem Namen Chenrezig ist sie der Schutzpatron von Tibet; im Sanskrit lautet ihr Name Avalokiteśvara2.

Auch in nicht-verehrenden buddhistischen Traditionen ist Guan Yin sehr hoch angesehen; im Taoismus gilt sie als Unsterbliche, und im Volksglauben wird sie als Göttin verehrt.

Guan Shi Yin Pusa – „Die das Weinen und Leiden der Menschen wahrnimmt“

Guan Yin ist die Kurzform von Guan Shi Yin Pusa. Guan heißt „betrachten, anschauen“; Shi bedeutet „Welt“, und Yin bedeutet „Ton, Laut, Schall“, insbesondere die Töne all jener, die leiden. Pusa bedeutet Bodhisattva.

Übersetzt bedeutet ihr Name also in etwa „die das Weinen und Leiden der Menschen (bzw. aller Lebewesen) wahrnimmt“.

Ein weiterer (älterer) Name für Guan Yin ist Guān Zì Zài (siehe auch Herz-Sutra).

Mitgefühl

Im tibetischen Buddhismus gilt Guan Yin (als Avalokiteśvara bzw. Chenrezig) als die Verkörperung des Mitgefühls aller Buddhas aller Zeiten. Guan Yin kann sich in allen erdenklichen Formen und Gestalten manifestieren und ist immer dort, wo ein Wesen ihrer Hilfe bedarf.

Es wird gesagt, dass Guan Yin jedes Gebet, das ihr zu Ohren kommt, erhört. Sie kann Menschen überall auf der Welt erreichen. Sie ist immer nur gerade ein Gebet weit weg, und es gibt unzählige herzberührende Geschichten von Menschen, die sie in Zeiten der Not gerufen haben und gerettet wurden.

Guan Yin wird oft mit Mutter Maria aus der christlichen Tradition verglichen, da beide das mütterlich-beschützende, mitfühlende und liebevoll-fürsorgende Prinzip verkörpern.

Mitgefühl umfasst im Gegensatz zu Mitleid unter anderem auch die Mitfreude, ist also nicht auf Leid beschränkt. So steht Guan Yin auch für innere Freude, inneren Frieden und Gelassenheit. Sie hat zahllose Gelübde abgelegt, um ihre Hingabe zu demonstrieren, das Leid der Menschen zu lindern.

Darstellungen

Guan Yin

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Guan Yin (Avalokiteśvara) wird sowohl männlich als auch weiblich dargestellt (obwohl Bodhisattvas bzw. Buddhas eigentlich keine Geschlechtszugehörigkeit haben, da sie durch ihre Erleuchtung alle Gegensätze (Yin Yang) überwunden haben). In China (Guan Yin oder Kuan Yin), Japan (Kannon) und in Vietnam (Quan Âm) wird sie meist in ihrer weiblichen Form verehrt. Guan Yin bzw. Avalokiteśvara ist der Bodhisattva, von dem die meisten unterschiedlichen Erscheinungsformen bekannt sind.

In ihren Darstellungen trägt Guan Yin oft die Perlen der Erleuchtung und hält meist eine Vase in der Hand, in der sich das heilende Wasser des Lebens befindet, welches jedes Ungleichgewicht ausbalancieren und Heilung auf allen Ebenen schenken kann. Oft wird Guan Yin auf einem Drachen sitzend abgebildet, welcher ein altes Symbol für Spiritualität, Klugheit, Stärke, Transformation und auch Schutz darstellt.

Weitere Darstellungen zeigen Guan Yin mit 1000 Augen (mit denen sie das Leid überall auf der Welt sehen kann) und mit 1000 Händen (mit denen sie den Leidenden überall schnell helfen kann).

Mantren und Texte

Es gibt viele wichtige Mantren bzw. Schriften, die mit Guan Yin in Verbindung stehen. Im Folgenden findest Du Informationen zu drei der wichtigsten Mantren:

Om Mani Padme Hum

Das sechssilbige Erleuchtungs-Mantra Om Mani Padme Hum (Sanskrit) wird Guan Yin in ihrer männlichen Erscheinungsform Avalokiteśvara zugeschrieben. Das Mantra ist das älteste und das am meisten verwendete Mantra im tibetischen Buddhismus. Im Chinesischen lautet es Weng Ma Ni Ba Ma Hong.

Die sechs Silben des Mantras verkörpern die Grundeinstellung des Mitgefühls gegenüber allen und allem. Eine weitere wichtige Bedeutung des Mantras ergibt sich aus dem Glauben, dass durch das Rezitieren der sechs Silben die Befreiung aller Lebewesen aus dem Kreislauf der Wiedergeburt erreicht werden kann.

Da Bei Zhou

Guan Yin

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Das Da Bei Zhou (chinesisch; Sanksrit: Nīlakaṇṭha Dhāraṇī) ist das Mantra des größten Mitgefühls (Mantra der größten Barmherzigkeit). In diesem äußerst kraftvollen Mantra werden die Namen von 87 bedeutenden Buddhas bzw. 87 der Manifestationsformen von Guan Yin (bzw. Avalokiteśvara) beschrieben und rezitiert.

Das Mantra stammt ursprünglich aus Indien und wurde in Sanskrit überliefert; später wurde es dann ins Chinesische transliteriert (nicht übersetzt), und erlangte bald darauf eine sehr weite Verbreitung und hohe Bedeutung im gesamten ostasiatischen Raum.

Der Überlieferung nach kann das Da Bei Zhou 84.000 Krankheiten heilen; das Mantra ist ganz besonders verbunden mit der spirituellen Kraft der 1000 Hände und 1000 Augen (siehe auch Guan Yin Linienhalterschaft).

Herz-Sutra

Herz Sutra Kalligrafie

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Das Herz-Sutra oder Sutra der höchsten Weisheit (chinesisch: Bo Re Bo Luo Mi Duo Xin Jing; Sanskrit: Prajñā Pāramitā Hṛdaya) gehört zu den bekanntesten buddhistischen Sutras. Das Sutra ist mit seinen 260 Wörtern (in der chinesischen Version) sehr kurz und gilt als Essenz der buddhistischen Lehre (die Lehre Shakyamuni Buddhas umfasst 5500 Sutras, welche im Diamant-Sutra auf 5000 Wörter zusammengefasst und im Herz-Sutra noch weiter auf den allerwichtigsten Kern verdichtet wird).

Im Herz-Sutra belehrt Shakyamuni Buddha (Siddhartha Gautama, chinesisch: Shi Jia Mo Ni Fo) seinen Meisterschüler Shariputra (chinesisch: She Li Zi), wie Guān Zì Zài Pu Sa (anderer Name für Guan Yin bzw. Avalokiteśvara) unter Anwendung der höchsten spirituellen Weisheit und Praxis (chinesisch: Bo Re bzw. Sanskrit: Prajna Paramita) die transzendente spirituelle Erfahrung der größten Erleuchtung erreicht hat.

Dabei geht es um die Erkenntnis, dass die sichtbare Welt der Materie und der physischen Existenz und die transzendente Welt der größten Erleuchtung in Wahrheit eins und nicht voneinander zu trennen sind. Die (unsichtbare und unfassbare) transzendente Ebene (chinesisch: Kong) ist die Höchste unvergängliche Wahrheit und der Ursprung; die (sichtbare und fassbare) Welt der physischen Existenz (chinesisch: Se) ist lediglich ihre vergängliche Projektion / ihr Phänomen. Es gilt, unter Anwendung der höchsten Weisheit (Bo Re bzw. Prajna Paramita), vom sinnbildlichen Ufer der materiellen Existenz ans gegenüberliegende Ufer der höchsten Transzendenz und Erleuchtung zu gelangen, um so von allem durch die materielle Ebene verursachten Leiden (einschließlich der Notwendigkeit der Wiedergeburt) befreit und eins mit der Höchsten Wahrheit zu werden.

Der abschließende Satz des Sutras fasst diesen Weg der Erkenntnis als Kernmantra noch einmal sinnbildlich zusammen: Gate Gate Pāragate Pārasaṃgate Bodhi Svāhā (chinesische Transliteration: Jie Di Jie Di, Bo Luo Jie Di, Bo Luo Seng Jie Di, Pu Ti Sa Po He), was übersetzt werden kann mit „Geh‘, geh‘, gehe hinüber, gehe ganz hinüber ans andere Ufer: oh welch ein Erwachen, vollkommener Segen!“.

 

Die Kraft der Guan Yin Linienhalterschaft

Als Linienhalter von Guan Yin haben wir die äußerst kraftvolle spirituelle Übertragung der 1000 Hände und 1000 Augen erhalten. Damit ist es uns möglich, die Botschaft des größten Mitgefühls und die Kraft des Da Bei Zhou für die Selbstheilung von Krankheiten und die Bereinigung von anderen Herausforderungen zu nutzen.

Guan Yin

Foto: Guan Yin | © unbekannt

 

 

1 Das Nirvana zu erreichen, bedeutet im Buddhismus, den ewigen Kreislauf der Reinkarnationen und dadurch das Leiden zu überwinden und frei von Karma zu sein.

2 Avalokiteśvara wird sowohl in männlicher als auch in weiblicher Form dargestellt; sein ursprünglicher und korrekter Name im Sanskrit lautet Avalokitaśvara, was exakt dieselbe Bedeutung hat wie Guan Shi Yin (der, der die Klagen der leidenden Lebewesen wahrnimmt). Im Laufe der Geschichte hat sich der Name dann zu der heute meist gebräuchlichen Form Avalokiteśvara gewandelt.